Jiří Georg Dokoupil
Rainer Fetting
Michelle Jezierski
Christine Liebich
Hermann Nitsch
Michael Sailstorfer
Hubert Scheibl
Martin Schnur
Martijn Schuppers
Paul Schwer
Leif Trenkler
Bernd Zimmer

08.07.2021 - 30.07.2021

Bilder der Ausstellung


Beschreibung

Grenzenlos 2

Nach dem erfolgreichen Debüt der Gruppenausstellung „Grenzenlos“ in der Galerie Wolfgang Jahn in München eröffnet am 8. Juli die Fortsetzung „Grenzenlos 2“ in der Galerie in Landshut.

Auch hier wird ein repräsentativer Querschnitt aus dem Portfolio von Künstlerinnen und Künstlern der Galerie mit einer Auswahl jeweils vorwiegend aktueller Arbeiten gezeigt. Grenzenlos - ohne Einschränkung der Fantasie und Gedanken, in der figurativ und abstrakt arbeitende Künstlerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Nationen und Regionen nun gemeinsam und dennoch jede(r) auf seine / ihre individuelle und sich voneinander „abgrenzende“ Art zusammenkommen.

Die Ausstellung vereint dabei etablierte Positionen wie Jiri Georg Dokoupil, Rainer Fetting, Hermann Nitsch, Hubert Scheibl, Martin Schnur, Martijn Schuppers, Leif Trenkler und Bernd Zimmer – mit Shooting-Stars wie Michael Sailstorfer und neuen, aufstrebenden Positionen der Galerie wie Michelle Jezierski und Christine Liebich. 

So zeigen Hubert Scheibl’s - in jeder Hinsicht vielschichtige Malereien - ein „Davor“ und „Dahinter“, ein „Währenddessen“ und „Danach“ in einander überlagernden, sich durchdringenden Farbschichten, die die spürbar kraftvollen und unermüdlichen Bewegungsprozesse der Bildgenerierung im statischen Medium des Bildträgers wie Sedimentschichten festhalten. Wie der nie zur Ruhe kommende Kreislauf der Natur sind seine Malereien zu stimmigen Endkompositionen verdichtete permanente Umwälzungen, die auf Erneuerung und Veränderung zwischenzeitlicher Zustände abzielen. Ein Verschieben von Massen, ein Ringen um Behauptung von Struktur und Farbe, in dessen Zuge scheinbar Verborgenes in seiner vormaligen Existenz wieder sichtbar wird. Die Natur als Vor- bzw. Leitbild der Malerei zeigt sich auch in den Arbeiten von Bernd Zimmer. In seinen „Reflexions“-Bildern, die sich zwischen Wasser und Wald bewegen, verarbeitet Zimmer intensive Natureindrücke und drückt seine Kritik an der monochromen Malerei aus, die ihn immer gelangweilt hat. Demgegenüber stehen Zimmer’s kosmische Bildwelten, die den Betrachter auf eine Reise in eine ferne, energetisch aufgeladene Galaxie der Fantasie voll erhabener, funkelnder Schönheit und mystischer Faszination entführen. Immer mit der Frage im Hinterkopf: Woher kommen wir, und wohin werden wir gehen?

Ähnlich energiegeladen und kraftvoll zeigt sich die Arbeit von Hermann Nitsch, einem der zentralen Hauptvertreter des Wiener Aktionismus. Im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten sind diese nun durch eine deutlich gesteigerte farbliche Intensität charakterisiert. In ihnen kombiniert Nitsch die explosionsartigen Strukturen seiner wuchtigen Farbschüttungen mit der ausdrucksstarken Dynamik ekstatisch-sinnhafter Fingermalerei, deren Ergebnis die vormaligen Strukturen wie unter einer pastos-verdichteten, leuchtenden Farbmasse begräbt. Diese Arbeit lässt ein spannungsreiches, intensives Zeugnis künstlerischer Aktion zurück, eine aufwühlende Abstraktion emotionaler Zustände mit dem Zweck, frei und ungehemmt das Leben im Reiz und der Ästhetik seiner entfesselnden Extreme zu feiern. 

Ergänzt wird der Hauptraum durch zwei faszinierende Plastiken von Paul Schwer, deren Gestalt wie organisches Wachstum anmutet. In einem speziellen Verfahren formt der Künstler farbige Kunststoffplatten in nur kurzer Zeit unter entsprechender Hitzeeinwirkung zu plastisch blütenhaften Gebilden, in denen der dynamische Prozess der Herstellung auf Dauer konserviert bleibt. 

Expressiv und ausdruckstark sind auch die trotz abstrahierender Tendenzen der Figuration verpflichteten Arbeiten von Rainer Fetting. Auch er bezieht sich in einer sturmgepeitschten Nordseelandschaft mit tosender Brandung auf die elementaren Kräfte der Natur, die er eindringlich mit grob gesetzten Pinselhieben zu aufgewühlten Wellen und Schaumkronen verdichtet und diese mit lasierenden Farbverläufen kontrastiert, die den spürbaren Eindruck von Nässe im Bild festhalten. 

Michelle Jezierski’s Malerei hingegen zeigt simultane Bildgeflechte aus atmosphärisch aufgeladenen, lichtdurchfluteten Landschaften und geometrisch abstrakten Strukturen wie regelmäßigen, parallel zueinander verlaufenden, scharf abgegrenzten Streifen. In unterschiedlichen Formationen von klarer Strenge, durchweben sie, als sich eigenständig behauptende Elemente, das Bildgefüge in gitterartigen Strukturen und verschmelzen mit der Ebene des Ursprungsmotivs wie auch vordergründigen Übermalungen zu einer bildnerischen Einheit. Die alte Vorstellung vom Bild als einem Fenster in die Welt wird dadurch konterkariert, verstellt und im übertragenden Sinne mag man darin auch einen Verweis auf die nicht sichtbare und dennoch zugrundeliegende Komplexität der Bauprinzipien und Gesetzmäßigkeiten der Natur, wie etwa zu atomaren Gittern, erkennen.

Auf dem Weg nach oben besticht sofort Jiri Georg Dokoupil’s goldenes Seifenblasenbild. Seine abstrakten Seifenblasenbilder entstehen ganz ohne Pinsel. Dokoupil lässt mit Pigmenten gesättigte Seifenblasen auf die Leinwand fallen und platzen. Dort wo der Seifenschaum auftrocknet, bringt er traumhafte Strukturen und Mikrokosmen hervor. Dokoupil selbst beschreibt diese Bilder als „Sinfonien der Farbe, von mir und dem Zufall dirigiert.“

Neben Dokoupil’s Seifenblasenbild begegnet man auch den quadratischen Wandobjekten von Christine Liebich im oberen Ausstellungsraum. Ohne parallele Staffelung schweißt Liebich hier die Stahlstäbe in freier Form und ohne feste Ausrichtung zu einer sich verbindenden und überlagernden netzartigen Gesamtkomposition zusammen. So wirken diese Arbeiten Liebichs wie Zeichnungen im Raum, auf denen sich frei entfaltende Striche zu einer großen Geste der vermeintlich individuellen Handschrift formieren. Doch gibt es keinen eigentlichen Bildgrund. Die Wandkonstruktionen halten einen Abstand zur Mauer, so dass die kiloschweren Stahlgeflechte in sonderbarer Leichtigkeit im Raum zu schweben scheinen. Dabei bedient sich Liebich einem ungewöhnlichen Material: Ihre stabförmigen Strukturen sind von ihr zurechtgeschnittene, nachträglich pulverbeschichtete Armierungseisen, wie man sie zur Stabilisierung im Stahlbeton verwendet. Ein Material, das, unabhängig von der Ästhetik ihrer Kunst, klassischen und „edlen“ Bildhauerwerkstoffen wie Marmor widerspricht.

Gegenüber befinden sich zwei Arbeiten des Österreichischen Künstlers Martin Schnur, der den Betrachter mit seinen hyperrealistischen bizarren Bildwelten - in denen er unterschiedliche Realitätsebenen wie einander durchdringende Traumsequenzen vermischt und zu einem nicht selten rätselhaften Ganzen unterschiedlich verwobener und aufeinander bezogener Szenerien zusammenfügt - in den Bann zieht. So entstehen irritierende Momente der Begegnung von Mensch, Natur und Außenwelt, in denen das menschliche Wesen wie ein Fremdkörper seltsam isoliert und für sich erscheint. Doch wie im Traum hat hier alles für den Moment seine Berechtigung und Richtigkeit, ehe man daraus erwacht und die Dinge wieder nüchtern sieht.

Ein weiteres Werk der Ausstellung zeigt die Farbwelten Martijn Schuppers, die zuweilen wie surreale Satellitenaufnahmen von farbig glühenden Landschaften unter vorbeiziehenden Wolkenbändern- und strudeln wirken. Es sind Kompositionen, die auf klar definierte Formen bewusst verzichten und den reinen Farbauftrag in ineinander und auseinanderdriftenden Schlieren und Schichten zum zentralen Motiv erheben. Sie entstehen durch ein Auf-und Ablösen und Verflüssigen von Acryl- und Ölfarbschichten durch den Einsatz von Terpentin.  

Gepaart werden die Werke im oberen Ausstellungsraum u. a. mit einer “Brain“-Plastik von Michael Sailstorfer, ein aufgesockeltes Objekt, das ein mehrfach um sich selbst gewundenes Seil zeigt, das in dieser Formation an menschliche Gehirnwindungen erinnert. In durchaus ironischer Weise mag man hier eine Art imaginäres Tauziehen endlos um sich selbst kreisender Gedanken erkennen, ganz im Sinne eines steten Bemühens um das Verständnis der Welt. Ein geistiger gordischer Knoten.

Unbeschwert und farbenprächtig wirken dahingegen die sommerlichen Idyllen von Leif Trenkler. Leif Trenkler ist gleichermaßen ein geistig-malerischer Ver- und Entführer. In seinen Bildwelten spielt er mit unserer tief empfundenen Sehnsucht nach einem unbekümmerten Leben und Verweilen an ausgesucht idyllischen Orten irdischer Paradiese, um dem eigenen Trubel und Trott eines weitgehend  gleichgeschalteten Alltags in eine Gegenwelt des achtsamen Müßiggangs zu entfliehen. Die in harmonischen Kompositionen festgehaltenen Motive triggern den Betrachter und versetzen uns für die Dauer eines  Augenblicks in tropische Landschaften und an Traumstrände, in glückserfüllte Szenerien aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten bis hin zu mediterranen Sommersitzen in jenem Land, wo bekanntlich die Zitronen blühen. 

 

Dr. Veit Ziegelmaier

 

Diese Ausstellung wird von der Stiftung Kunstfonds als Teil des Programms NEUSTART KULTUR gefördert.